Schnee im April ist erst einmal nichts Ungewöhnliches. Und in Anbetracht der Tatsache, dass der Wetterbericht diesen Schnee auch noch gestern Abend vorausgesagt hat, sollte man meinen, dass die Überraschung nicht allzu groß war – heute Morgen an diesem Dienstag nach Ostern, am 6. April. Und doch war das Gefühl ein komisches, ein Gefühl von „das ist falsch“. Vor zwei Tagen noch saßen wir im T-Shirt im Garten und haben Ostereier gesucht und heute Morgen nun eine weiße Landschaft direkt vor unserer Tür.
Ich erinnerte mich unwillkürlich an die Situation am 1.Dezember 2020, auch ein Dienstag. Denn am Abend hatte ich eine Konversation mit meinem Sohn. Wenn morgen dann Dezember ist, dann ist doch morgen früh auch Schnee da. Das war seine Überzeugung. Ich sagte ihm, dass der Schnee nicht einfach kommt, nur weil es Dezember ist und dass es oftmals in unseren Regionen erst im Januar schneit. Als ich dann am 1. Dezember morgens die Jalousien hochzog, traute ich meinen Augen nicht. Die Welt vor unserem Fenster war weiß. Ich weckte die Kinder und als sie sahen, was über Nacht geschehen war flippten sie aus vor Freude. Dieser Schnee kam definitiv unterwartet und doch hätte das Timing nicht perfekter sein können. Obwohl Schule war, schlüpften die Kinder in ihre Schneeanzüge und rannten raus. Sie tanzten im Garten und formten Schneebälle. Es war noch dunkel. Ich stand mit meinem Kaffee am Fenster, ich lächelte und war zufrieden. Schnee am ersten Dezember und noch dazu völlig unterwartet. Der Tag versprach schon morgens um sechs ein toller Tag zu werden. Das Gefühl war ein warmes und vielversprechendes.
Und heute Morgen, trotz aller Vorbereitung, obwohl ich wusste, was passieren würde, war das anders. Das Aufstehen viel unendlich schwer. Die Jalousien machte ich nur so weit hoch, dass die Sonnenstrahlen den Raum erhellten, aber den Schnee wollte ich nicht sehen. Der Kaffee schmeckte unter einer dicken Decke auf der Couch, dazu lief ein Podcast. Die Kinder waren nicht freudig aufgeregt, sondern ignorierten den Schnee. Warum ist das so? Warum kann uns das gleiche Geschehen zu einem anderen Zeitpunkt und mit unterschiedlicher Vorbereitung in so variierende emotionale Zustände versetzen? Ich war vorbereitet auf den Schnee, auf diese Unannehmlichkeit und trotzdem kommen Emotionen wir Genervtheit und Niedergeschlagenheit. Ich wusste, dass ich heute nicht joggen gehen werde und meine Kinder mit dem Fahrrad neben mir herfahren werden. Ich wusste, dass wir keine T-Shirts anziehen würden und dass ich die Winterklamotten wieder herausholen musste.
Ich überlegte also was ich heute brauchen würde, um aus diesen Emotionen herauszukommen. Und ich erinnerte mich an ein Zitat, was ich vor ein paar Tagen gelesen habe. Es stammt von der Psychologin Dr. Susan David und lautet „Discomfort is the price of admission to a meaningful life.“. Sinngemäß übersetzt heißt es so etwas wie „Unannehmlichkeiten sind der Preis, den wir zahlen, wenn wir uns den Zugang zu einem bedeutungsvollen Leben verschreiben.“ Und so fragte ich mich, was ich nun heute „Bedeutungsvolles“ aus diesem Tag machen kann? Ich setzte mich mit meinen Kindern hin und wir schrieben einen Plan, der Dinge enthielt, die jedem einzelnen von uns heute wichtig sind. Ich merkte, wie es mir langsam besser ging. Ich erledigte sofort zwei Dinge von meiner To-Do-Liste. Es kam ein Gefühl, dass mir zeigte, dass ich dieser Situation, dem Schnee, nicht ausgeliefert bin.
Und dann gehe ich raus. Ich spüre die Kälte und sehe unsere Pflanzen im Schnee glitzern. Ich mache ein paar Fotos. Ich würde gerne einen Blogbeitrag schreiben. So lange schon. Und so gehe wieder herein, ziehe ich die Jalousien hoch, setze mich an den Tisch und fange an zu schreiben. Und mit jedem Wort schwindet die Genervtheit. Und mein Learning aus diesem Morgen ist, dass egal wie gut die Vorbereitung ist, wissen wir nicht unbedingt, wie uns eine Situation auf emotionaler Ebene beeinflusst. Was wir aber immer tun können, ist uns zu fragen, was wir in emotional schwierigen Momenten eigentlich brauchen. Wir können Unannehmlichkeiten überwinden. Egal wie schwer das im ersten Augenblick scheint. Und wir können das üben. Und das ist, als was ich heute diesen Schnee betrachte. Dieser Schnee hat mir ein Übungsfeld geschaffen. Er hat mich dazu gezwungen, dass ich mich mit mir auseinandersetze. Ich durfte erkennen, was ich brauche. Und hätte es nicht geschneit, würde es beispielsweise diesen Blogbeitrag nicht geben. Insofern war es gut, dass es heute Morgen geschneit hat. Und nun heißt es warten auf den Morgen, an dem der Schnee wieder weg ist und die Knospen an den Bäumen weiterwachsen dürfen.